Haus Löw-Beer und das Schicksal von Alfred Löw-Beer
Die weitverzweigte Familie der jüdischen Unternehmer stammte aus der Umgebung von Boskovice und gehörte zu den wichtigsten südmährischen Industriellenfamilien, die in der Woll- und Zuckerindustrie tätig waren.
Als erste kamen die Brüder Aron und Jakob 1852 nach Brünn, um hier eine Streichgarnherstellung unter der Firma Aron & Jakob Löw-Beer zu betreiben. Ihre Söhne eröffneten bald danach ein Zweigwerk in Brněnec, das später durch den Film Schindlers Liste (Regie Steven Spielberg, 1993) als Fabrik von Oskar Schindler Berühmtheit erlangte.
Ein anderes Mitglied der verzweigten Familie, Moses Löw-Beer (1800–1851), eröffnete 1843 ein Unternehmen im nahen Svitávka. Auf Brünn weiteten die Produktion erst dessen Nachkommen aus. Später erbte Max Löw-Beer (1829–1887), der seit seinem 14. Lebensjahr in der Firma des Vaters gearbeitet hatte, die Marke Moses Löw-Beer. Dank seiner Fähigkeiten und seines Fleißes wurde er zu dem wichtigsten Hersteller preiswerter Textilwaren in Österreich. Seine Söhne Rudolf, Alfred und Benno erweiterten das Unternehmen zu einer der größten Wollfabriken in der Monarchie und später in der Tschechoslowakei.
Das Schicksal vieler Mitglieder der Familie Löw-Beer endete in den Konzentrationslagern Theresienstadt und Treblinka. Nur wenige konnten vor den Nazis ins Ausland fliehen. Bekannt wurde vor allem das tragische Schicksal von Alfred Löw-Beer (1867–1939), dem Vater von Grete Tugendhat, der sich bis zum letzten Moment bemüht hatte, das Familienvermögen in Brünn zu sichern. Im März 1939 wurde er deshalb von der Gestapo verhaftet, konnte jedoch aus der Verhörzelle noch flüchten. Unter bisher ungeklärten Umständen wurde er allerdings einige Tage später nahe dem südböhmischen Stříbro tot aufgefunden, nachdem er versucht hatte, unter einer falschen Identität aus der besetzten Heimat zu seiner Familie in die Schweiz zu fliehen. Die vergeblich wartenden Angehörigen engagierten in der Zwischenzeit den britischen Spitzendetektiv Paul Dukes, der ins Protektorat fuhr, um nach Alfred Löw-Beer zu suchen. Aus seinen Ermittlungen verfasste er später den Roman An Epic of the Gestapo: The Story of a Strange Search. Ihm gelang es aber nicht herauszufinden, wer Alfred Löw-Beer getötet hatte.
Das Vermögen der Löw-Beers wurde 1939 zugunsten des Reichs beschlagnahmt und unter Treuhandverwaltung gesetzt. Nach dem Kriegsende wurde die Firma als deutsches Vermögen der Nationalverwaltung unterstellt, und bereits am 27. Dezember 1945 wurde sie in den Betrieb Moravskoslezské vlnařské závody n.p. Brno, später Mosilana, eingegliedert. Das Haus Löw-Beer ist heute im Besitz des Kreises Südmähren.
Die Fabrik Aron & Jacob Löw-Beer in Brněnec, später bekannt als Fabrik von Oskar Schindler. Foto © Gross-Industrie Österreich, 1895, MZK
Großes Haus der Familie Löw-Beer in Svitávka, 1900-1902. Foto © Kamil Till, Moravská galerie v Brně
Kleines Haus von Alfred Löw-Beer in Svitávka, Architekt Josef Nebehosteny, 1906. Foto © Kamil Till, Moravská galerie v Brně